Am 8. Februar 1972 ereignete sich in Wien eine politische Posse, wie es sie vermutlich in dieser Form nur in Österreich geben kann.
Der österreichische Schifahrer Karl Schranz wurde knapp vor Beginn der Olympischen Winterspiele 1972 in Sapporo von IOC-Präsident Avery Brundage ausgeschlossen – nach einem Verstoß gegen das damalige Amateurgesetz. Ein dem IOC zugespieltes Foto, dass Schranz in einem Jersey mit Kaffee-Werbung zeigte, war offiziell für Brundage Indiz, dass Schranz „kein Amateur“ sei. Schranz hatte dieses „corpus delicti“ irgendwann einmal (wahrscheinlich im Sommer 1971) anlässlich eines Benefiz-Fußballspiels getragen. Die Entscheidung traf den österreichischen Nationalstolz und eine Welle der Empörung brauste im Land auf. (Wikipaedia).
Der Höhepunkt, der an ein absurdes Theaterstück gemahnenden Posse, ereignete sich am 8. Februar 1972. Da kehrte Karl Schranz aus Japan zurück und wurde von einer Menschenmenge schon am Flughafen in Wien begrüßt. In einem Triumphzug fuhr Schranz in die Stadt und wurde von der Regierung im Bundeskanzleramt empfangen. Tausende jubelten am Ballhausplatz in Wien dem Schifahrer zu. Der Österreichische Rundfunk inszenierte das Ereignis in Radio und Fernsehen.
Es wurde am 13. Februar 1992 in der Sendung Kunstradio-Radiokunst gesendet.
Für dieses Stück wurde Archivmaterial des ORF, das die Ereignisse des 8. Februar 1972 wieder gibt, sowie weitere Tondokumente aus den Jahren 1936 – 1991 verwendet.
Verzeichnis der Quellen (in Reihenfolge der Verwendung)
Pressestimmen zum Fall Schranz
“Wer sind die Komplizen des Millionärs Brundage? Die Helfershelfer sind pikanterweise die Delegierten der kommunistischen Staaten.” (Staberl, Kronen-Zeitung)
“In Wirklichkeit ist es eine kommuno-kapitalistische Verschwörung gegen die Olympiade, die nur zu einem verderblichen Ende führen kann.” (Arbeiter-Zeitung)
“Als Karl Schranz das Olympische Dorf verließ, stand eine Gruppe von Japanern vor dem Tor. Sie erkannten ihn und brachen in spontanen Beifall aus. Und sie verbeugten sich tief, als schritte ein Apostel vorüber.” (Kurier)
“Auf den “Kleinen” will man herumtrampeln – auf uns Österreichern… Gut dann aber entlarven wir dieses Olympiatheater… wenn wir, die “Kleinen”, derart brutal gedemütigt werden.” (Kleine Zeitung)
“…stand an der Gangway die Wienerin Hermi Strunz und löste das ein was sie im Fall eines Sieges versprochen hatte: Sie überreichte dem Sportidol die Eheringe ihrer verstorbenen Eltern.” (Hör Zu)
“… auf dem schicksalsschwangeren Boden des Bundeskanzleramtes nahm Karl Schranz die Ovationen des Volkes entgegen.” (Bildunterschrift, Die Presse)
Am 4.Februar 1972 veröffentlichte die Kleine Zeitung, Graz neben 13 Pro-Schranz Briefen ein Schreiben von Frau Jolanthe Faustmann in dem sie den Ausschluß von Schranz befürwortet. Danach erhielt die Frau, die mit vollem Namen und Adresse gezeichnet hatte eine Flut von anonymen Briefen. Hier einige Auszüge:
“… Ja was bilden Sie alte Schachtel sich eigentlich ein,unseren Karl Schranz zu beleidigen… Was wissen sie von ihm, Sie altes Schwein, Sie sollen verrecken an der Pest Sie Kanaillie… So etwas hat gar kein recht zum Leben, das gehört weg aber ratzeputz… Du gehörst von jedem anständigen Österreicher gelyncht…”
“…Sie müßte man in klirrender Kälte und bei 90 km über eine Eispiste jagen, bis ihre sämtlichen Glieder und ihr Arsch in Fransen geht. Sie blöde Kuh, haben Sie nichts anderes zu tun als einen Sportler der jahrelang seine Kräfte für sein Vaterland aufs Spiel setzt, den Sie jetzt so durch den Dreck ziehen “
“Wehrte Vaterlanz Ferräderin
Was Sie da in der Zeitung über das Schwein von einem Brundage da schreiben ist eine Frechheit…. ein ganzes Land in den Dreck ziehen wahrscheindlich sind Sie auch so eine Ferräderin und solche Menschen gehören hinaus aus dem Land. Aber wir tun nur für Gerechtigkeit leben Sie Schwein.”
(Quelle: Profil)