Interview about Undidentified Musical Subject (in German)

(veröffentlicht auf music austria)

„Unidentified Musical Subject“ (Moozak Rec.) heißt die neue CD des Wiener Elektronikmusikers Bernhard Loibner. Und wie der Titel bereits vermuten lässt handelt es sich hier tatsächlich um etwas schwer Definierbares. Musik, die abseits jeglicher Kategorisierung, im Spannungsfeld Elektronik, Elektroakustik, Avantgarde und Improvisation, angesiedelt ist. Im Interview mit Michael Ternai erläutert der Elektroniker seine Beweggründe, warum er gerade diese Musik macht und was es in Österreich braucht, der heimischen elektroakustischen Improvisationsszene zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen.

Wie bist du bei deiner neuen CD auf die Idee gekommen, nicht mehr bloß elektronische Instrumente zu verwenden, sondern auch auf analoge zurückzugreifen?

Das hat sich schon über längere Zeit entwickelt. Vor einem Jahr habe ich wieder mit dem Bass-Spielen begonnen, was ich ja früher in einer Band gemacht habe und was mich jahrelang nicht mehr interessiert hat. In den letzten zwei, drei Jahren ist es dann doch wieder immer mehr in den Fokus gerückt, weil die sehr hermetische elektronische Klangwelt mit der Zeit, doch auch schon etwas ausgereizt ist. Man stellt sich dann die Frage, wie man das Ganze mit anderen Sounds und anderen Klängen kombinieren kann, um es zu bereichern und die Musik wieder etwas lebendiger zu machen. Ein oft gegen die Elektronik erhobener Vorwurf ist ja, dass diese sehr hermetisch und kalt sei. Aus all diesen Überlegungen heraus hat sich die Idee entwickelt, andere liveartige Elemente in das Ganze einzubringen.

Du aber versuchst ja aber durch ständige die Weiterentwicklung deines Equipments, den Sound weiterzuentwickeln. Kann man da eigentlich von einer Hermetik deiner Musik sprechen?

Ich finde es eh nicht so. Aber es ist dann doch ein relativ oft gehörter Punkt. Die Instrumente, die ich diesmal verwendet habe, werden ja auch durchaus wieder prozessiert und mittels Computer und Elektronik verfremdet und bearbeitet. Die Musik bleibt schon in diesem gewissen Universum, nur eben der Input ist ein erweiterter. Weil die haptische Qualität, die ein Instrument liefert, oder auch die Emotionalität, die eine Stimme liefert, ist rein elektronisch ja nicht zu machen.

Das Interessante an deiner neuen CD ist ja, dass du praktisch ohne Rhythmusinstrumente wie Schlagzeug oder Drum-Machine ausgekommen bist. War das von Anfang an geplant?

Das ist schon ein Grundpfeiler meiner musikalischen Ästhetik. Beatbasierende Dinge interessieren mich eigentlich nicht wirklich. Da klingt alles etwas monoton. Natürlich, Ausnahmen bestätigen die Regel, aber streng metrische, rhythmische Konstrukte interessieren mich persönlich jetzt nicht so sehr. Dafür aber ein bestimmtes rhythmisch pulsierendes Element sehr wohl. Diese muss aber keinesfalls perkussiv oder drumbasiert sein. Ich arbeite die Elemente ja so aus, dass diese nicht miteinander synchronisiert sind – was ja ein elementares Thema ist, wie man die Dinge synchron hält, was mich aber überhaupt nicht interessiert – weil eben Elemente, die sich rhythmisch gegenläufig verhalten, sehr interessante pulsierende Strukturen ergeben können. Und das ist eben ein Grundpfeiler meiner Ästhetik. Wobei ich auf dieser neuen CD relativ viele perkussive Instrumente eingesetzt habe, die aber wirklich händisch eingespielt worden sind, mehr aber als klangliches Element zu Geltung kommen und nicht als rhythmische Basis.

Auf der anderen Seite hast du auf dem Album auch einen sehr reduzierten Zugang gewählt. Von Bombastik keine Spur. Vielmehr folgt deine Musik einer Geschichte.

Natürlich habe ich versucht, eine gewisse Stringenz und Kontingenz durch das ganze Album zu halten. Das ist ja, wenn man eine CD macht auch das Schwierige. Weil ein gewisses Grundkonzept muss schon da sein, in dessen Kontext man die ganzen Stücke auch betrachten kann. Es war auch die Grundidee, die Stücke, so verschieden sie auch sein mögen, in einer gewissen Kontingenz zu halten. Ich denke, wenn man eine CD macht, ist es ja doch ein Produkt, dass man sich öfters anhört, dass man beim Hören immer wieder etwas Neues entdeckt, was komplett unterschiedlich ist zu einem Livekonzert. Die Stücke sind ja auch nicht so konzipiert, um sie im Rahmen eines Konzertes eins zu eins zu reproduzieren. Gewisse Elemente werden vorhanden sein Das ist eine CD Produktion die als solche dasteht und ihre Geschichte hat.

Du bist ja sonst auch in sehr vielen Projekten tätig. Dabei arbeitest du auch sehr viel im interdisziplinären Raum. So etwa in der Elektronik und Neuen Musik und aber auch im Radio. Wo liegen die Schnittmenge?

Was dabei gleich ist, ist der Versuch die Musik zu kontextualisieren, der Versuch mittels einer musikalischen Ebene auf eine Kunstebene, oder bei einem Radio- oder Hörspielstück auf eine Textebene einzugehen. Es ist der Versuch, ausgehend von dem einen Medium das andere Medium zu unterstützen. Aber nicht nur das, es geht auch darum dem Ganzen auch eine eigene Ebene hinzuzufügen, das Gesamte zu erweitern, ohne das andere aber zu zerstören. Was gar nicht einfach ist. Aber es gibt an der Herangehensweise durchaus gewisse Ähnlichkeiten, wie man ein zweites Medium dem man quasi zuarbeitet betrachten muss und wie man versucht Verbindungsmöglichkeiten zu schaffen. Ja, das ist etwas, das ich schon lange und oft gemacht und vielleicht auch schon eine gewisse Routine entwickelt habe. Nicht zuletzt durch meine langjährige Zusammenarbeit mit dem Tom Sherman, mit dem ich so eine Art Performance mit Video, Text und Stimme entwickelt habe. Und das ist noch komplexer, weil eben drei Ebenen vorhanden sind, eine Textebene, eine Videoebene und eine Musikebene. Da muss man schon sorgfältig die Elemente abwägen und sich dynamische Verläufe überlegen, damit nicht das eine dem anderen überwiegt. Was aber bei der Musik eigentlich eh nicht wirklich das Problem ist, eher auf der visuellen Ebene, wo die Gefahr groß ist, dass die Bilder alles anderen zudecken und Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Das bedeutet, dass der interdisziplinäre Zugang in deinen Arbeiten von großer Bedeutung ist.

Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache. Ich bin ja kein klassischer Musiker. Ich habe ja keine klassische Ausbildung. Ein gewisser Zwiespalt ist immer noch da. Ich sehe mich ja jetzt nicht als klassischer Musiker, der ein Instrument bedient und als Musiker auf der Bühne steht. Ich sehe mich als Komponist, der, wenn er live spielt, seine eigenen Arbeiten präsentiert. Aber ich bin kein Musiker der in anderen Bands oder Formationen mitspielt. Ich habe da natürlich durchaus auch einen Hang zur Medienkunst, zu Radio und auch zu Video. So gesehen gibt es durchaus Interessen, die über das Musikalische hinausgehen.

Wo liegen für dich bei der Komposition die Herausforderungen? Welchen Ansatz wählst du für dich? Konzipierst du etwa zum Beispiel speziell für einen bestimmten Raum einen Stück?

Ja, solche Arbeiten habe ich auch schon gemacht, im installativen Bereich. Das ist natürlich auch sehr interessant und reizvoll und es ist etwas durchaus auch öfter gerne machen würde. Nur, die Gelegenheit ergibt sich nicht so oft. Aber natürlich Musik kreiert nun Mal Raum per se. So sehe ich das. Das muss nicht unbedingt immer ein musikalischer Raum sein. Wenn man etwa mehrkanalig arbeitet, kann das durchaus auch einen physikalischen Raumbegriff beinhalten. Aber ich finde, Musik per se definiert einen eigenen Raum. Und sich innerhalb dieses Raums zu bewegen und diesen zu definieren, ist auch ein wichtiger Zugang für mich. Wobei es mir dabei um Beschichtungen, um Texturen, um dynamische Verläufe und solche Dinge geht, die eben einen eigenen musikalischen Raum definieren. Das ist schon ein ganz wichtiger Zugang für mich.

Das Kreieren von Sounds ist natürlich auch ein sehr elementarer Zugang für mich. Dies steht eigentlich immer an Beginn einer Arbeit und ist immer ein kontinuierlicher Teil einer solchen. Meistens gibt es einen Sound oder einige wenige klangliche Elemente von denen ich ausgehe und aus denen ich durch Überlagerungen, Beschichtungen und Verfremdungen, durch zeitliche Manipulationen und andere Mittel einen Fluss kreiere. Das ist auch eine sehr wichtige Herangehensweise. Ich mache ja zumeist keine langen Stücke. Die gibt es auch, aber auf den CDs, die ich bisher gemacht habe, pendeln sich die Stücke meist zwischen fünf und zehn Minuten ein. Das scheint so irgendwie das Format zu sein, in dem ich immer wieder lande. Das Ziel ist es eben in diesem kurzen Zeitraum ein Konstrukt zu entwickeln, weiterzuentwickeln und wieder verschwinden zu lassen. Das ist für mich dann schon die Herausforderung.

Bist du eigentlich hauptberuflich Komponist?

(Lacht) Nein, leider nicht. Ich bin Lehrer. In meinem erlernten Beruf bin ich Informatiker. Wobei mein Interesse für Musik besonders geweckt wurde in der Zeit, als Computer und Elektronik massiv begonnen haben in die Musik Einzug zu halten. Das war in den achtziger Jahren. Das hat dann auch mein Interesse an Computern und Informatik geweckt und dadurch bin ich eben dahin gekommen. Informatiker ist also mein erlernter Beruf und ich unterrichte an einer HTL.

Wie sieht es in Österreich mit der Art der Musik die du machst eigentlich aus. Hast du das Gefühl, dass KünstlerInnen wie genügend gefördert werden?

Das ist natürlich eine Einserfrage. Und die logische Antwort ist natürlich Nein. Es gibt viel zu wenig Förderung, wobei man sagen muss, es gibt welche. Ich habe zum Beispiel ein Staatsstipendium gehabt, was natürlich eine super Sache war. Es gibt dann natürlich auch den SKE Fonds, ohne den ich die CD nicht machen hätte können und ohne den auch keine andere CD aus dieser Musikrichtung produziert werden könnte. Solche Dinge gibt es natürlich schon.

Wobei, objektiv gesprochen, ich finde, dass im Vergleich zu anderen Kunstsparten wie etwa zur bildenden Kunst oder zur darstellenden Kunst die MusikerInnen doch ziemliche Oamutschkerl sind. Obwohl sich Österreich sich immer als Musiknation definiert und Wien als Musikstadt, gibt es kein Festival für diese Art von Musik, es gibt keine adäquaten und permanenten Aufführungsorte, wo man kontinuierlich einen Diskurs entwickeln könnte. Es gibt zu wenige Förderungen für diesen Sektor. Bei mir war es ja ein großer Zufall, dass ich das Staatsstipendium bekommen habe. Im Normalfall bleiben die Elektroniker da wirklich außen vor. Wenn man sich etwa die Ausschreibungskriterien anschaut. Da werden Partituren und solche Dinge gefordert. Und wenn Leute, ihre Musik eben nicht in Form von auf einem Blatt niedergeschriebenen Partituren vorlegen, sind zumeist ausgeschlossen von den ohnehin wenigen Förderungen.

Da müsste klarerweise mehr passieren. Aber auch die MusikerInnen selber müssten sich auch viel lauter melden und ihre Interessen formulieren. Zum Beispiel das Tanzquartier. Da haben sich Gruppen jahrelang irgendwie zusammengeschlossen, mit einer Stimme gesprochen und ihre Forderungen vehement vertreten. Irgendwann ist es dann Realität geworden und jetzt gibt es dort tolle Möglichkeiten. Einerseits als Aufführungsstätte, aber auch als permanente Stätte des Diskurses. So etwas in unserem Bereich zu haben, wäre natürlich eine grandiose Sache.

Wie empfindest du es, der eigentlich schon sehr viel im Ausland gespielt hat, du hast ja in New York gespielt, sind dort die Verhältnisse anders?

Ja, natürlich. Wenn man diesen Vergleich heranzieht, ich habe ja auch zwei Jahre in England gelebt, geht es uns in Österreich wesentlich besser. New York, London oder andere große Brennpunkten sind natürlich ganz harte Pflaster. Also, dort gibt es gar keine Förderungen. Deswegen kommen amerikanische MusikerInnen ja sehr gern nach Europa, um hier zu spielen. Weil außerhalb von Universitäten und ganz wenigen großen Städten ist nur sehr wenig möglich. Auch in England ist es erstaunlich, unter welch schlechten Bedingungen die Leute arbeiten. Wo sich quasi im Hinterzimmer von Pubs die Szenen abspielen. Das ist schon einmal ein gradueller Unterschied zu dem, was in Österreich passiert.

Wobei das nicht als Rechtfertigung dienen kann. Die Verhältnismäßigkeit ist einfach nicht gegeben. Hier wird sehr bewusst viel für repräsentative Kultur ausgegeben und sehr, sehr wenig Geld für das was aktuell im Bereich der zeitgenössischen Kunst, die irgendwann ja vielleicht selbst auch zur repräsentativen Kultur wird, passiert. Wenn diese Pflanze nicht gegossen wird, wird der Baum nie erblühen. Das ist ja widersinnig und absurd eigentlich.

Ist die Situation wirklich so hoffnungslos oder spürst du, dass vielleicht doch etwas in Bewegung geraten könnte?

Ich glaube nicht, dass die Situation hoffnungslos ist. Ganz im Gegenteil, ich glaube, es gibt auf jeden Fall Publikum. Es wird aber teilweise sehr leichtsinnig damit umgegangen. Wenn man nur überlegt, wie groß das Interesse Ende der Neunziger, Anfang der Zweitausender Jahre an Dingen wie phonotaktik war und diese, aus welchen Gründen auch immer, nicht weitergeführt worden sind. Das Publikum war auf jeden Fall da und das ist jetzt wieder weg. Wenn man es nicht hegt und pflegt, ist es wieder weg.

Wenn man sich zum Beispiel Wien Modern anschaut, dort funktioniert es ja auch, obwohl es sich mit Sicherheit nicht um eine Mainstreamveranstaltung handelt.
Eben. Was ich und meine KollegInnen machen, wird ja auch nie ein Mainstreamprogramm werden. Das ist klar. Aber es gibt sicher Publikum, welches man mit attraktiven Konzerten und Programmen abholen muss. Da muss man sich eben einiges überlegen. Es gibt ja auch Publikum das an der Schnittstelle von verschiedenen Welten existiert. Es gibt sicher Leute, die aus der zeitgenössischen Moderne à la Wien Modern kommen, die Interesse haben, dann gibt es Leute, die aus der Improvisationsecke oder aus dem Clubbereich kommen. Es gibt eben diese Schnittmenge von Leuten, die durchaus zu gewinnen wären. Das habe ich ja auch bei meiner CD Präsentation im Fluc gesehen. Es war sehr gut besucht, der Club war rammelvoll und es waren Leute aus den verschiedensten Bereichen da. Es geht schon, man muss es nur eben richtig machen. Und man müsste es kontinuierlich machen, das ist der entscheidende Punkt.

Man braucht eine Spielstätte, die man permanent bespielen kann, man müsste auch die entsprechenden Mittel haben, denn aus meiner persönlichen Perspektive muss ich sagen, hat sich die Situation doch nachhaltig verschlechtert. Vor fünf sechs Jahren waren die Aufführungsmöglichkeiten schon mehr gegeben. Seitens der Veranstalter gab es mehr Interesse. Heute gibt es nur sehr geringe Möglichkeiten aus dem Kleinbereich, aus dem Club, wo die Musik sehr oft auch gar nicht hingehört, hinauszukommen. Zum Beispiel gibt es Generator nicht mehr, die Serie für zeitgenössische Musik. Die ist ersatzlos gestrichen worden. Oder Wien Modern, die machen in ihrem Programm nur ein bisschen etwas. Es müsste wirklich etwas permanentes Eigenes geben, um die Sichtbarkeit der Szene zu erhöhen. Dann kommt auch das Publikum, da bin ich mir sicher.

Was sind deine nächsten Projekte?

Die CD ist Gott sei Dank herausen. Das Projekt ist für mich jetzt abgeschlossen. Ich hoffe, dass sich in Sachen Konzerte in nächster Zeit einiges ergeben wird. Realistisch betrachtet, also ich bin im Moment ja in Karenz bei meinem Lehrerjob und gehe ab Herbst wieder arbeiten und unterrichten. Das Zeitbudget wird wohl knapper werden. Ich nehme mit jetzt einmal nicht wirklich wahnsinnig viel vor. Es gibt zum Beispiel ein Trioprojekt mit der Mel, der Sängerin, die auch auf der CD zu hören ist, und dem Peter Szely, einem Elektronikmusiker, das schon länger im Raum ist und das wir bis zu einer Veröffentlichung weiterführen wollen. Das und Konzerte zu spielen, um die CD zu promoten, sind einmal die nächsten unmittelbaren Ziele.

Vielen Dank für das Interview.

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