BRUCKNER haben mit dem gemeinsamen Plattendebüt „happy end“ ihre musikalischen Spielereien in eine klangreiche Form gebracht. Der Soundexperte BERNHARD LOIBNER und der Stimmkünstler DIDI BRUCKMAYR eröffneten im Gespräch mit Ada Karlbauer ihre Sicht auf performative Aspekte in der Aufführungspraxis, Reproduktion und vor allem „Krach als Statement“.
Wie entstand das Projekt BRUCKNER?
Bernhard Loibner: Wir arbeiten schon länger zusammen. An der Zusammenarbeit hat sich gar nichts verändert, außer dass wir jetzt eine Platte gemacht haben. Das Projekt ist aber über die Zeit gewachsen. Ich habe das Gefühl, dass es immer homogener wird.
Didi Bruckmayr: Es haben sich auf jeden Fall die Muster geändert. Am Anfang war das eher industrial und sehr dronelastig, jetzt ist es viel fragmentierter, weil wir vielmehr aufeinander hören. Seine Patches, die wuchern einfach und werden immer komplexer, und ich passe auch mehr auf. Mein Eindruck ist aber, dass der Zugang intuitiver geworden ist.
„Im besten Fall ist jede Nummer wie ein Polaroid.“
Die Platte als kurzes Innehalten in einem fortschreitenden Prozess?
Bernhard Loibner: Eine Platte ist eben eine Platte, sie ist durchdachter und dadurch konstruierter. Es soll schon so sein, dass die Stücke als Einzelstücke auch mehrmals hörbar sind. Es ist keine Improvisation, die aufgenommen und festgehalten wurde. Das kann natürlich auch interessant sein, aber es bleibt am Ende immer nur eine Improvisation, die gute oder auch weniger gute Momente hat. Bei einem aus der Improvisation entstandenen Stück kann das natürlich auch der Fall sein, aber es hat mehr Aufbau und Struktur. Die Platte ist ein Versuch, einen Faden durch die Stücke zu ziehen. Aber natürlich sehen manche Leute das nicht so.
Wenn ich eine Platte mache, soll diese auch als Platte funktionieren und nicht nur als Mitschnitt einer Improvisationssession. Deshalb gibt es bei „happy end“ auch groovigere oder rhythmischere Elemente und eben auch eine durchgängige Struktur. Im Konzert hingegen gibt es Momente, die auftauchen, oder Sounds und Strukturen, die ich von der Platte herausnehme, aber ohne die Intention, ein Stück in einem Konzert zu reproduzieren.
Didi Bruckmayr: Im besten Fall ist jede Nummer wie ein Polaroid. Es sind einfach lustige Spielereien, ich mag das, weil es spielerisch wird. Manche finden es idiotisch, manchen gefällt‘s, manche finden es interessant, ich denke, es ist eine Nische in der Nische, aber das wissen wir eh.
Bernhard Loibner: Es gibt sicher viele Leute, die das nicht kennen, und ich spüre schon auch, dass diese Aufmerksamkeit da ist.
Didi Bruckmayr: Ich denke, das hängt mit der hybriden Oberfläche zusammen. Auch wenn man nicht genau sieht, was Bernhard treibt, ist das einfach verdammt künstlich, zumindest für meine Ohren. Es ist eine enorme Spielerei, Spinnerei kann man sagen. In so einer enorm technisierten Welt ist das auf jeden Fall ein Anknüpfungspunkt, da kommen eben diese sentimentalen Artefakte auf, ich kann aber nicht sagen, ob das die Leute wirklich einnimmt und für wie lange.
Wie verläuft die musikalische Annäherung?
Didi Bruckmayr: Ich wohne ja ganz woanders und ich höre mir an, was mir Bernhard schickt, das heißt aber nicht, dass ich dann einfach reproduziere. Es sind halt immer nur Momentaufnahmen, und das macht es auch lustig. Grundsätzlich ist das alles völlig unüberlegt. Mein Zugang ist der, dass ich absolut nichts denke und mir vorher auch nichts überlege, ich warte einfach darauf, was er liefert. Es sind dann immer Artefakte von etwas, was ich schon mal gehört habe, was aber sofort verschwindet [lacht].
Bernhard Loibner: Das ist ja auch das Spannende an der ganzen Sache, dass wir auf die Bühne gehen und nicht wissen, was passieren wird. Gewisse Strukturen muss ich mir schon vorher überlegen, das bringt diese Computermusik einfach mit sich, da das Instrument so sperrig ist. Aber ich versuche zumindest, immer das Ganze offenzuhalten – auch meine Instrumentarien. Ich verwende auch ein analoges System, das ist neu. Ich verwende dieses Mal ein modulares System von „endorphines“, das ist ein Wiener Synthesizer-Bauer. Es kommt auch auf der Platte teilweise zum Einsatz und auch live mehr, weil es eben ein sehr intuitives Instrument ist. Mit dem System kann man nichts speichern, man hat ein haptisches Instrument, das aber für mich immer noch sehr unvorhersehbar ist, weil es relativ kompliziert ist und immer wieder überrascht.
Didi Bruckmayr: Das Komponieren am Computer ist eine sehr statische Angelegenheit, sehr softwarebasiert, und die Kompositionen werden dadurch sehr determiniert. Meist wird heutzutage „Ableton Live“ verwendet, vor allem in der Tanzmusik. Die analogen Kasten kommen jetzt wieder in Mode, weil sie eben haptisch sind. Man steckt sie irgendwie zusammen und am Ende kommt etwas anderes heraus, als man erwartet hat. Das ist irgendwie auch meine Rolle, die des Jolly Jokers, weil ich ja versuche, möglichst unmenschlich zu klingen. Ich versuche, die Stimme schon von Anfang an so zu bringen, dass sie möglichst unnatürlich klingt, und dann wird sie von Bernhard noch mal prozessiert und wandert so umher. Das sind auch diese Momente der Zufälligkeit.
Die Stimme als Persiflage auf sämtliche Gesanggenres ?
Didi Bruckmayr: Es kommt halt alles vor. Diese Zitate aus der Kulturgeschichte der Stimme könnte man sagen, die helfen einem, wieder zurückzufinden. Ich will unmenschlich klingen, und Bernhard sieht das ähnlich. Im Prinzip ging es immer darum, Dinge zu verkünstlichen. Es gibt ja schon seit langer Zeit diese Diskussion, dass irgendwo in uns praktisch ein Detektor ist, der diese sentimentalen Artefakte dechiffriert. Das ist natürlich und da kann ich mehr damit anfangen und auch schneller irgendwelche Regungen zeigen als mit irgendwelchen rein digitalen Substanzen, die als Substrate da sind. Die Stimme ist vielleicht auch dieses Missing Link, auch wenn sie noch beschädigt ist, vielleicht spürt man es dann innerlich, weil ja Stimmbänder, Knochen und Fleisch im Spiel sind. Wenn man meine Präsenz weggeben würde, dann wäre nur mehr die Stimme da. Ist die Stimme von Bedeutung als Stimme oder ist sie eine Textur? Oder beides?
„Aus dieser hermetischen Welt ausbrechen.“
Welche Rolle spielt die Bühnenperformance?
Bernhard Loibner: Der performative Aspekt ist für mich schon sehr wichtig. Deshalb hatte ich Glück, Didi für dieses Projekt zu gewinnen. Ich kann mich natürlich auch alleine mit meiner Maschinerie auf die Bühne stellen und dort spielen, aber es hat eine völlig andere Qualität, wenn dieser performative Aspekt dabei ist, der auch für ein Publikum unmittelbar greifbar ist, was ja bei diesen ganzen Maschinen nicht so der Fall ist. Aus dieser hermetischen Welt ausbrechen. Die reine Laptopmusik hat meiner Meinung nach einfach einen ärmlichen performativen Aspekt.
Didi Bruckmayr: Es ist sozusagen noch ein Instrument dabei: die Stimme. Ich bin als Hologramm präsent [lacht]. Man kann auch einfach performativ gar nichts machen, wie Autechre, die die Software sprechen lassen. Das ist der radikalste Zugang. Es macht einfach mehr Spaß, es ist mehr Krach und wir wissen ja, dass es um nichts geht, und sind niemandem verpflichtet [lacht].
„Es geht immer um die Frage, was Musizieren bedeutet.“
Ein intuitiver Zugang wird oft mit improvisierter Musik im Jazz oder Freejazz-Bereich gleichgesetzt, wie würden Sie sich verorten?
Didi Bruckmayr: Wir gehören zu keiner Szene. Wir sind eine ganz andere Baustelle als beispielsweise die Acts bei music unlimited in Wels, zwar verwandt, aber weit entfernt. Es liegt auch an der Sozialisierung, ich bin dem Industrial wesentlich näher als dem Jazz. Improvisierte Musik wird sehr häufig mit Jazz oder moderner Konzertmusik kurzgeschlossen, mich jedoch interessiert es, diesen hybriden Lärm auch einmal in einem Clubkontext präsentieren zu können, dafür haben Autechre auch die Türen aufgemacht. Das passt dort auch besser hin, weil dort die richtigen Anlagen stehen und ich vor keinem Freejazzer-Publikum sitze, das mir vorwirft, dass 1968 viel schöner war – ich kann dem nur beipflichten, aber trotzdem ist mir das lieber so [lacht].
Bernhard Loibner: Die nähern sich von einer völlig anderen Seite an ähnliche Punkte an. So gesehen gibt es definitiv eine Verwandtschaft, aber der Weg dorthin verläuft völlig anders. Es ist natürlich eine gute Frage, wo man mit der Musik hingeht, letztendlich ist es auch eine Frage von Angebot und Nachfrage.
Didi Bruckmayr: Es geht immer um die Frage, was Musizieren bedeutet. Der eine schreit ins Mikro, der andere haut am Blech herum. Die einen werden dann im Jazz verortet, die anderen in der Avantgardemusik. Dann gibt es noch den Schattenbackstagebereich der Clubmusik, und das sind wir [lacht].
Vielen Dank für das Gespräch.
Ada Karlbauer